Bushidos Bambi für gelungene Integration ist zurecht sehr umstritten.
Guckt man sich allerdings an, wie sehr wir Praktikanten, Studenten und Expats in China integriert sind, scheint er wieder einigermaßen gerechtfertigt.
Außer im Buero oder im Werk haben wir eigentlich nichts mit den normalen Chinesen zu tun.
Beim Obsthändler wird man mittlerweile erkannt und freudig begrüßt und mein Saftladen stellt die Uhr nach mir. Allerdings bin ich für die einfach ein Alien, der in ihr Land gekommen ist um ein wenig Geldquelle zu spielen.
Wenn man Mittagessen geht, dann sind immer die chinesischen Praktis dabei und wir gehen in einfache und sehr leckere Garküchen, in denen ich ohne Hilfe nicht mal bestellen könnte.
Nach der Arbeit sind wir Westler dann unter uns. Wenn wir irgendwas machen, dann sind wir immer in der Gruppe unterwegs und bleiben unter uns.
Wenn man in den „Club“ (früher „Disco“) geht trifft man zwar viele chinesinen, die sich blendend mit einem verstehen, bis sie dann merken, dass man kein Interesse daran hat mit Geld um sich zu werfen. Mitleid haben muss man mit den Damen allerdings nicht, sie finden in der Regel recht schnell einen Westler, der Ihren Bedürfnissen gerecht wird. Das Alter des Geldesels spielt dabei keine Rolle und es gehört dazu, dass ab einer bestimmten Uhrzeit im „Club“(früher „Disco“) auf den Sofas angetrunkene Chinesinnen unter alten Säcken begraben nach Luft ringen.
Neulich kamen wir aufs Thema Friseur und 2 Mitpraktikanten haben erzählt, dass sie in einem internationalen Haarstudio waren, wo man sich sogar die Nationalität des Schneidenden heraussuchen durfte. Der ganze Spaß hat dann über 250 RMB gekostet wobei das Ergebnis zweifelsfrei allen Zweifeln erhaben war.
Auf dem Heimweg vom Saftladen habe ich dann heute einen chinesischen Friseursalon entdeckt, der gut frequentiert war. Von Chinesen.
Ich sah endlich eine Möglichkeit einmal das zu machen, was normale Chinesen auch machen.
Außerdem saßen jede Menge hübscher Mädels in Stewardessenuniform herum und ich fasste mir ein Herz und ging, nachdem ich meine Freundin um Erlaubnis gefragt hatte, hinein.
Sofort waren 6 Chinesen bei mir, die es gar nicht glauben konnten und sicher dachten, ich hätte mich in der Tür geirrt. Als ich dann fragte, ob irgendjmd englisch sprechen würde war plitzlich großes durcheinander und der Manager wurde geholt. Er war wie die anderen im Salon zwischen 18 und 25 Jahre alt und konnte die Worte „Haircut“ und „Okay“ nach einigem Überlegen fast fehlerfrei aussprechen. Auf meine Geste wieviel es denn kosten würde, erntete ich zunächst Gelächter. Inzwischen waren sämtliche Bedienstete und Gäste damit beschäftigt mich zu beobachten und zu lachen. Unter ca. 20 wachsamen Augenpaaren schrieb der Besitzer zögerlich einen Preis auf und ich bestellte gleich noch eine Kopfmassage. Nachdem wieder Normalität eingekehrt war, nam mir eine der Stewardessen den Mantel und meinen Schal ab, während eine zweite mich zu einem Waschbecken führte, wo mir von einer dritten die Haare gewaschen wurden. Nach einer entspannenden Haarwäsche mit Massagecharakter(ohne Happy End!) wurde ich von der zweiten zum Stuhl geführt und ich fragte mich, welche der Damen mir denn die Haare schneiden würde.
Ganz einfach: KEINE.
Haare schneiden ist Männersache!
Der chinesische Giacomo persönlich ließ sich dazu herab mir die Haare zu schneiden.
Als er mich fragte, was ich den gerne hätte, zeigte ich ihm einfach ein Bild von mir und meiner Freundin(das ich selbstverständlich immer bei mir trage) auf dem ich eine passable Frisur habe.
Das erste was er machte war, das Bild im ganzen Salon rum zu zeigen und nachdem jeder es gesehen hatte gab er es mir zurück. Dabei murmelte er „Ich bin Giacomo und ich werde dir bestimmt nicht diese 0815 Frisur verpassen, die du da auf dem Foto hast. Ein Wunder, dass dieses hübsche Mädchen überhaupt in deine Nähe kommt bei deinem Haarschnitt.“
Ich verstand natürlich kein Wort und weil er dabei lächelte, machte ich entspannt die Augen zu und lies ihn walten.
Es war Alles in Allem etwas ruppiger und ca 30 min länger als in Deutschland.
Giacomo ist Perfektionist.
Ob es mir gefällt wurde ich nicht gefragt, er hat sich einfach bei mir bedankt und gefragt ob ich noch etwas Haargel will. Ich sah mich im Spiegel und wusste, dass es nur besser werden konnte.
Das liegt aber nicht an Giacomo sondern an mir, dasselbe denke ich in Deutschland nach dem Friseur auch. :D
Ich ließ Ihm freie Hand und er vollendete das Werk.
Man könnte es als dezenten Undercut bezeichnen.
Als er fertig war geleitete mich Nummer 2 zur Kasse, wo Nummer 4 mich freundlich anguckte, kassierte und zum Abschied etwas sagte, was alle im Salon ein letztes Mal dazu verleitete ungeniert loszulachen und mich dabei anzugucken. Als ich Giacomo 10 RMB Trinkgeld –immerhin ein Drittel des Gesamtpreises- geben wollte lehnte er ohne zu zögern ab.
Giacomo ist also doch noch kein richtiger Italiener.
Der Friseurbesuch war nicht wirklich notwendig gewesen, hat sich aber dennoch gelohnt und selbst wenn Giacomo und die Anderen mich jedes Mal ausgelacht haben werde ich sicherlich noch einmal hingehen. Wieder nicht aus Notwendigkeit sondern weil es mir gefallen hat und ich mindestens so zufrieden bin wie nach jedem Friseurbesuch in Deutschland auch.
Außerdem hab ich jetzt ne Porschefrisur ohne 3 Stunden offen gefahren zu sein.
;D